RB#3: Der erste Auftritt der Klingonen
Kampf um Organia / Errand of Mercy aus The Original Series, Staffel 1, Episode 26.
Willkommen in der Risa Bar! Nachdem wir in den vergangenen Ausgaben uns mit den sanfteren Seiten von Star Trek befasst haben, wird es Zeit, die politische Seite des Franchise zu beleuchten. Heute geht's um drei Kriege - zwei reale, einer in der Folge - um den ersten Auftritt einer der wichtigsten Player im gesamten Star Trek Universum und um Politik sowohl innerhalb als auch außerhalb des Star Trek Universums. Macht Euch noch einen Kaffee, die heutige Ausgabe wird lang - wir besprechen die Episode Kampf um Organia / Errand of Mercy aus The Original Series, Staffel 1, Episode 26.
Die Episode: Ein wichtiger Planet
Die Enterprise um Captain Kirk erhält eine Nachricht von der Sternenflottenführung: Die Sternenflotte glaubt, ein Überraschungsangriff der Klingonen stünde kurz bevor. Kirk bricht sogleich auf zum strategisch wichtigen Planet Organia: Es wird vermutet, die Klingonen würden dort zuerst zuschlagen, befindet sich Organia doch in strategisch äußerst günstiger Position für beide Seiten - das klingonische Reich und die Föderation.
Spock und Kirk beamen auf den Planeten, der von einem freundlichen Volk bewohnt wird, das technologisch auf mittelalterlichem Niveau steckengeblieben ist - seit tausenden Jahren schon. Kirk warnt den lokalen Ältestenrat vor der Gefahr und bietet seine Hilfe an - und nicht nur das: Er bietet sogar alle Vorteile der Förderation - Technologien, Bildung, Wohlstand - an, wenn die Bewohner Organias nur zustimmen würden. Diese winken jedoch ab, argumentieren, sie seien nicht in Gefahr und bieten ihrerseits sogar Kirk & Spock ihre eigene Hilfe und Schutz an!
Kurz darauf landen die Klingonen auf dem Planeten, angeführt von einem Zeitgenossen namens Kor, der sofort aggressiv seine Machtansprüche geltend macht. Kirk kann sich erfolgreich als Bewohner Organias ausgeben, Spock wird aufgrund seines Aussehens als Vulkanier erkannt und gibt sich als einfacher Händler aus (die Enterprise hat den Orbit des Planeten inzwischen verlassen, um Hilfe zu holen).
Mehr durch Zufall als durch Absicht wird Kirk schließlich als Liaison zwischen den Klingonen und dem Rest von Organia ausgewählt. Spock wird unterdessen mit einem klingonischen “Wahrheitsfinder” traktiert, der, richtig (oder falsch) eingesetzt, Menschen komplett in den Wahnsinn treiben könnte. Aufgrund seiner vulkanischen Selbstbeherrschung widersteht Spock diesem Gerät jedoch.
Warum tun die nichts?!
Die Organianer wiederum lehnen sich unterdessen einfach mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen zurück. Sie stimmen jeder klingonischen Auflage zu, selbst drakonische Regeln wie der Verbot von Versammlungen und die Gleichschaltung der Presse ringt ihnen kaum eine Reaktion ab.
Das treibt wiederum Kirk dazu, sich Maßnahmen einfallen zu lassen, um die Organianer endlich davon zu überzeugen, sich gegen die Klingonen zu wehren. Zu diesem Zweck jagt er nachts mit Spock zusammen ein paar Munitionskisten der Klingonen in die Luft, um zu demonstrieren, auf welche Weise man sich gegen die Klingonen auflehnen könnte, wenn man nur wollte. Der Ältestenrat von Organia ist aber entsetzt und fleht Kirk und Spock an, derartige Gewalt zu unterlassen.
Bei dieser Unterhaltung werden sie jedoch von Kor abgehört, Spock und Kirk werden gefangen genommen und darüber hinaus verrät einer der Ältesten auch noch die wahre Identität Kirks an Kor, der daraufhin beide ins Gefängnis werfen lässt. Einige Stunden später werden sie von dort befreit - von den Ältesten Organias, die auf unerklärliche Art und Weise einfach in den Kerker spazieren und die Gefangenen herauseskortieren können. Die Flucht kommt bei Kor aber nicht gut an - er statuiert ein Exempel und richtet 200 Organianer hin. Kirk wiederum verschafft sich unter Androhung von Gewalt seine eigenen Waffen von den Ältesten, der ihnen ihre Phaser zuvor abgenommen hatte, und dringt seinerseits mit Spock bis zu Kor vor.
Jetzt aber mal Schluss!
Die Organianer verlieren jetzt die Geduld und enthüllen, warum sie bisher so entspannt bleiben konnten: Sie sind in Wahrheit übermächtige Lichtwesen, die sich nur aus Gastfreundlichkeit als Menschen gezeigt haben. Die Gewalt zwischen den Klingonen und den Menschen geht ihnen aber mittlerweile viel zu weit, und sie sorgen kurzerhand dafür, dass sich keiner - weder auf dem Planeten, noch auf den Schiffen im Orbit - gegenseitig an die Gurgel gehen. kann. Und die 200 Opfer? Wurden nicht wirklich umgebracht. Diese Enthüllung versetzt nun Kirk in Aufruhr und er argumentiert dann doch tatsächlich für sein Recht, im Namen der Organianerer und der Föderation doch gefälligst sich mit den Klingonen bekriegen zu dürfen. Noch während er spricht, wird ihm aber die Absurdität dieser Forderung bewusst. Kor und Kirk verlassen den Planeten, und wir sehen noch einmal Kirk auf der Brücke der Enterprise, dem seine eigene Argumentation nun hochnotpeinlich ist. Mit Spocks Bemerkung, dass wir uns zu den Organianern verhalten wie Amöben zu uns, endet die Episode.
Wertung: Eine mittelgute Episode schlägt hohe Wellen
Diese Episode im Kontext ihres Erscheinungsjahres in den späten 60ern zu sehen, bedeutet, über die sehr limitierten Produktionsbedingungen, die farbenfrohen Kostüme und über die eher hölzernen schauspielerischen Fähigkeiten hinwegzusehen. Wie wir gleich noch ausführlicher besprechen werden, ist diese Folge angetreten, um eine politische Botschaft zu vermitteln, und das tut sie sehr gut.
Jenseits dieser politischen Botschaft verläuft die Folge aber etwas unrund; es gibt etwa keinen nachvollziehbaren Grund, warum Spock und Kirk nicht früher erkennen, dass die Organianer mehr sind als die einfachen Bauern, die sie zu sein vorgeben. Der große Twist am Ende bleibt nur deswegen erhalten, weil Kirk und Spock nicht darauf kommen, einfach einmal nachzufragen, warum die Organianer glauben, dass ihnen nichts passieren würde, und es Letzteren aber auch nicht einfällt, sich einfach mal etwas klarer auszudrücken. Und dass es weder Spock noch Kirk auffällt, dass sich einige der Türen des mittelalterlichen Dorfes vollautomatisch öffnen… naja, so war das Fernsehen halt in den 60ern. Star Trek befand sich außerdem zu diesem Zeitpunkt noch in einem sehr frühen Anfangsstadium - wie wir auch gleich an den Klingonen sehen werden - da sind kleinere und größere Merkwürdigkeiten vorprogrammiert, wie etwa das vollständige Fehlen der Obersten Direktive, die es verboten hätte, dass Kirk hier breitbeinig auf dem Dorfplatz landet und den Einheimischen buchstäblich das Blaue vom Himmel verspricht, wenn sie nur nach seiner Pfeife tanzen.
Diese Episode bringt darüber hinaus einen der größten Player im Star Trek Universum erstmals in's Fernsehen: Die Klingonen, verkörpert maßgeblich vom hervorragend over-the-top gespielten Bösewicht Kor. Man kann die Klingonen hassen, man kann sie lieben - aber man kommt nicht an ihnen vorbei, und insofern ist diese Episode ein wichtiger Meilenstein von Trek.
Hinter den Kulissen
Ehe wir uns um den politischen Subtext der Episode in Gänze widmen, werfen wir doch mal einen genaueren Blick auf die Klingonen.
Besonders auffällig ist, dass diese Klingonen noch vollkommen ohne ihre spätere ikonische Haarpracht inklusive Schädelformen auskommt: Außer ein paar buschigen Augenbrauen sehen sie aus wie Menschen. Die Maskenbildner:innen hinter den Kulissen waren dankbar: das klingonische Makeup galt als wesentlich weniger aufwändig als das Makeup der Romulaner, die die anderen Bösewichte zu der Zeit darstellten. Das steht im Kontrast zu Michael Dorn, der als Darsteller des Klingonen Worf in The Next Generation jeden Drehtag drei Stunden in der Maske verbringen musste.
Für eine lange Zeit war die Änderung im Aussehen der Klingonen, von der glatten Stirn zu den ikonischen Stirnfalten, ein Running Gag von Star Trek: Zunächst wurde es einfach gar nicht kommentiert, bis Worf in Deep Space Nine schließlich - gedacht als einfacher Gag - mitteilte, dass die Klingonen da nicht gerne drüber sprechen. Enterprise wiederum hat schließlich eine Erklärung geliefert, bei der es um ein Virus ging, das vorübergehend die glatte Stirn hervorgerufen hat.
Die Vorgaben für das Aussehen der Klingonen für diese Episode war eher knapp: “orientalisch, mit harten Gesichtszügen”. John Colicos, der Darsteller von Kor, war derjenige, der sich für einen - wie er es nannte - “Dschingis Kahn-Look” einsetzte, und somit war die Grundlage gelegt für die Bartmode, die Augenbrauen und die dunklere Hautfarbe der Klingonen.
Die Klingonen als Rasse sind hier auch noch nicht besonders ausdifferenziert: Die stereotypische ehrgetriebene Kriegerrasse, zu der sich die Klingonen später noch entwickeln werden, ist hier allenfalls in Ansätzen bei Kor erkennbar - seine klingonischen Mitstreiter wiederum verhalten sich noch deutlich un-klingonisch, und ein Folterinstrument wie der Wahrheitsfinder oder die Exekution hunderter Menschen, um bestimmtes Verhalten zu erzwingen, wäre den späteren, auf Ehre bedachten Klingonen nie eingefallen.


Kor taucht übrigens - gespielt vom gleichen Schauspieler, aber diesmal mit den Stirnfurchen - wieder in Deep Space Nine auf, dort wird sogar explizit sein Zusammentreffen mit Kirk und Spock erwähnt. Bis dahin hat Kor sich zu einem echten Klingonen, so wie wir ihn kennen, entwickelt, erlebt einige Abenteuer unter Anderem mit Worf und findet schließlich einen ehrenvollen Tod, was den an dieser Stelle voll ausdifferenzierten Klingonen schließlich sehr wichtig ist.
Die gleiche Schärpe, die Kor in dieser Episode trägt, wird übrigens in der ersten Staffel von The Next Generation von Worf getragen.
Star Trek und Politik
Star Trek war schon immer politisch - allein schon die Besetzung der ersten Serie wurde explizit aus politischen Gesichtspunkten ausgewählt: Die Entscheidung, zu Zeiten des kalten Krieges mit Pavel Chekov einen Russen zum Navigator der Enterprise zu machen, oder die, mit Nyota Uhura, eine Schwarze Frau in Führungsposition zu zeigen, waren Teil der klaren utopischen Zukunftsvision, die Gene Roddenberry, Erfinder von Star Trek, mit seiner Serie zeichnen wollte. Darüber hinaus greift Star Trek sich immer wieder wichtige Momente der Weltgeschichte heraus und kommentiert diese, von Themen wie Umweltschutz in Star Trek IV: Zurück in die Gegenwart bis hin zu Nazi-Deutschland in Schablonen der Gewalt / Patterns of Force, eine Folge, die in Deutschland bis 1995 sogar indiziert war und als Folge erst am 4. November 2011 im Free-TV ausgestrahlt wurde.
In dieser Folge knöpft sich Star Trek den Vietnamkrieg vor. Vietnam ist kurz nach der Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Frankreich prompt in Nord- und Südvietnam zerfallen und im Vietnamkrieg versunken, dabei kämpften aber nicht nur Vietnamesen gegeneinander: Nordvietnam wurde maßgeblich vom kommunistischen China und der Sowjetunion unterstützt, Südvietnam orientierte sich eher an den USA; letzten Endes ging es also auch um Macht und Einfluss in Asien insgesamt.
Kampf um Organia verlegt diesen Konflikt ziemlich straightforward ins All: Organia ist Vietnam, die Klingonen die Kommunisten und die Föderation die USA. Dabei ist es bezeichnend, dass die Aufgabe der Sternenflotte an die Enterprise ist, “alle notwendigen Schritte einzuleiten und zu verhindern, dass die Klingonen es als Basis benutzen”. Der Schutz der lokalen Bevölkerung findet keine Erwähnung, und Kirk bringt durch seine Sprengung des Munitionsdepots diese sogar aktiv in Gefahr, indem er sich über deren eigene Strategie, neutral zu bleiben, hinwegsetzt. Man mag Kirk zwar zugute halten, dass er - wie er selbst sagt - kein Diplomat ist, aber die Art und Weise, wie er mit besten Absichten den Organianern vorschreiben will, was sie zu tun und zu lassen haben, und sogar deren Oberhäuptern offen Gewalt androht, sollten sie ihm seinen Willen nicht erfüllen, ist schon ein ziemlich bissiger Kommentar zum Verhalten der USA. Zumindest aus heutiger Sicht: In den 60ern dürfte die Ansicht, der Zweck würde auch in diesem Falle die Mittel heiligen, sicher mehr auf Anklang gestoßen sein als heute.
Die Episode taugt sogar noch als Parallele auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine: Zum Ende der Episode argumentieren sowohl Kor als auch Kirk, dass sie einen legitimen Anspruch auf den Krieg und damit indirekt auch auf Organia haben, und wollen nicht respektieren, dass Organia selbst eigene, von beiden Großmächten unabhängige Vorstellungen hat. Die Klingonen bezeichnen die Gegend um Organia sogar explizit als nicht umstritten, sondern klar den Klingonen gehörend. Die Parallelen fallen natürlich spätestens dann auseinander, wenn sich die Organianer als massiv fortschrittliche Rasse entpuppen, die sowohl die Föderation als auch die Klingonen um den kleinen Finger wickeln könnten, wenn sie nur wollten.
Die Angriffslust der Klingonen
Abschließend wollen wir noch einmal kurz herauszoomen und uns ein paar Dinge im größeren Kontext ansehen:
Discovery, Staffel 1 gibt uns Erklärungen dafür, warum sich der sonst eher friedliche Kirk und Kor fast an die Gurgel gehen: Beide werden Freunde und Bekannte verloren haben im Battle at the Binary Stars, also der Schlacht in einem Binärsternsystem, dessen Nachwirkungen einige Todesopfer auf beiden Seiten hervorriefen. Wir sehen auch, dass die in Discovery zur Kanzlerin aufgestiegene Klingonin L'Rell offensichtlich nicht lange in der Lage war, den Frieden zwischen den beiden Mächten zu bewahren.
Wo wir gerade bei Discovery sind: Ein wichtiger Kritikpunkt schon vor der Erstausstrahlung dieser Serie war, dass die dortigen extremistischen Klingonen, die die oben erwähnte Schlacht bei den Binärsternen anzetteln, eine nicht besonders subtile Anspielung an Trumps Make America Great Again - Anhänger waren. Das Argument? Es sei kein Star Trek, wenn auf derart offensichtliche Art woke politische Aussagen eingeflochten würden. Hätten sie nur mal diese Episode geschaut.
Politik aus Gegenwart und Vergangenheit, subtiles MAGA-Bashing und tonnenweise Infos zu den Klingonen runden diese Ausgabe ab. Danke für's Lesen! Was hat Dir gefallen, was nicht? Lass es mich gerne wissen:
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Bis zum nächsten Mal in der Risa Bar!