Willkommen in der Risa Bar! Die heutige Episode aus The Next Generation hat einiges gemeinsam mit Voyagers “Der Zeitstrom" (Hier geht's zur Besprechung), aber es gibt auch Unterschiede. Der Wichtigste: Diese Episode ist richtig spannend! In guter, alter Tradition spoilert der deutsche Titel erneut die große Enthüllung. Der englische Titel wiederum besteht aus den letzten Worten der Titelmelodie einer sehr bekannten Serie, die einen erheblichen Einfluss auf TNG hatte. Mehr dazu später, schauen wir uns erst einmal aber diese Episode genauer an.

Die Episode: Wenn's nicht an mir liegt, stimmt etwas mit dem Universum nicht
Dr. Beverly Crusher, Schiffsärztin der Enterprise, erwartet Besuch: Die Enterprise wird ihren alten Bekannten Dr. Quaice (von dem wir nie zuvor gehört haben und nie wieder etwas hören werden) von ihrem aktuellen Ziel, eine Sternenbasis, zu einer weiteren Etappe seiner Reise geleiten. Quaice hat vor Kurzem seine Frau verloren und mag nun sein Leben nicht mehr auf die bisherige Weise weiterleben - daher sein Umzug. Crusher ist sichtlich berührt davon und folgt ihrem Bedürfnis, ihren Sohn Wesley zu sehen, der gerade im Maschinenraum an einem Experiment arbeitet. Dieses scheint nur mittelmäßig zu laufen, es blitzt unerwartet im Maschinenraum, aber Beverly ist auch schon verschwunden.
Am nächsten Morgen ist Crusher dann zum Frühstück mit Quaice verabredet - aber der ist aus seinem Quartier verschwunden. Und nicht nur das: Mit ihm sind seine Besitztümer verschwunden, weder Sicherheitschef Worf und Captain Picard (der eigentlich dem Transport von Quaice zugestimmt hat) erinnern sich an diesen und weder im Personalverzeichnis der Sternenbasis, noch in den Datenbanken der Sternenflotte allgemein ist irgendwo ein Dr. Dalen Quaice gelistet. Mehr noch: Transporterchief O'Brien erinnert sich zwar daran, dass Beverly Crusher im Transporterraum gewesen ist, aber in seiner Erinnerung ist sie hereingekommen, hat dort einige Zeit gewartet und dann den Raum wieder verlassen. Allein.
Das mysteriöse Verschwinden
Eine schiffsweite Suche nach Quaice beginnt, während die Enterprise sicherheitshalber ihre Mission abbricht und Kurs zurück auf die Sternenbasis nimmt. Crusher untersucht auch Miles O'Brien - und findet dabei heraus, dass neben Quaice auch noch der größte Teil ihres eigenen Teams von Ärzt:innen und Krankenpflegenden verschwunden ist - wie im Falle von Quaice ohne jegliche Spur und ohne, dass sich jemand, außer eben Dr. Crusher, an sie erinnern könnte.
Der Verdacht fällt auf Wesleys Experiment vom Beginn der Episode, aber weder Wesley Crusher noch Geordi LaForge, der Chefingenieur, können sich erklären, wie das Experiment schiffsweite Auswirkungen gehabt haben könnte. Die Situation spitzt sich weiter zu; weitere Crewmitglieder verschwinden zu Dutzenden, danach zu Hunderten, und mehr noch: In der ansonsten verlassenen Krankenstation taucht plötzlich ein gleißendes Licht auf, das Crusher einzusaugen droht, ehe es abrupt wieder verschwindet. Auch von diesem Licht fehlt hinterher jede Spur.
Als schließlich nur noch Crusher und Picard übrig sind, und dann nur Crusher allein, verengt sich das bekannte Universum auf eine kleine Blase rund um die Enterprise, die sich erbarmungslos weiter zuzieht. Der Schiffscomputer hält diese Tatsache lediglich für einen Designfehler des Schiffes, das größer als das bekannte Universum gebaut wurde, aber Crusher erkennt schließlich, was passiert ist: Weder Dr. Quaice noch die anderen wurden von dem Experiment ihres Sohnes beeinflusst: Sie selbst wurde anscheinend in die Warp-Bubble, mit der Wesley experimentierte, gesaugt, und ihre eigenen Gedanken zu dieser Zeit haben diese Parallelwelt geschaffen! Da sie sich zur Zeit des Experimentes mental mit dem Verlust von Freunden und Verwandten auseinandergesetzt hatte, war die Welt, in der sie landete, eben eine, in der ihre Kollegen nach und nach verschwanden, beginnend eben mit ihrem ältesten Freund Dr. Quaice.
Die Rettung
Nun sehen wir die Welt außerhalb der Warp Bubble: Die Crew weiß um das Verschwinden von Dr. Crusher und hat schon mehrere erfolglose Versuche unternommen, sie zu befreien - womit auch das mysteriöse Licht erklärt wäre. Unerwartet erscheint nun auch der mysteriöse Reisende an Bord, der schon in einer früheren Episode durch - anscheinend - übernatürliche Fähigkeiten in Erscheinung getreten ist. Zusammen mit Wesley öffnet er einen weiteren Ausgang aus der Blase, und Crusher, die inzwischen selbst darauf gekommen ist, worum es sich bei dem Licht handelt, springt durch und ist gerettet.
Wertung: Spannung durch Fokus
Die Zutaten dieser Folge sind praktisch die gleichen wie die für “Der Zeitstrom” aus Voyager: Ein einzelnes Crewmitglied befindet sich in einer anderen Realität aufgrund einer Ursache, die man besser nicht genauer hinterfragen sollte, und muss den Weg wieder zurück finden. Wie Harry Kim es in seiner Episode geschafft hat, lest Ihr hier:
Während es beim Zeitstrom aber um eine Episode handelte, die den einzigen Zweck erfüllte, Darsteller Garret Wang zufrieden zu stellen, möchte man hier einfach eine gute, spannende Geschichte erzählen. Und das gelingt, insbesondere durch die schauspielerische Leistung von Gates McFadden als Dr. Beverly Crusher, und aufgrund der Entscheidung, das Publikum selbst lange im Unklaren darüber zu lassen, was da eigentlich passiert ist. Egal, ob man die Folge als eine Allegorie auf den Verlust von Freunden und Verwandten begreift, oder als eine Folge, in der ein mysteriöses Licht unbescholtene Senioren einsaugt - man wird hervorragend unterhalten.
Hinter den Kulissen
Wie kommt es eigentlich zu so einer kleinen Folge, ohne B-Plot und mit dem Fokus auf einer einzelnen Darstellerin? In diesem Fall war die Handlung dieser Folge eigentlich gedacht als Nebenhandlung zur Episode “Familienbegegnung” in der gleichen Staffel. Diese Folge wiederum war nicht nur ziemlich voll, sondern auch - untypisch für Star Trek zu dieser Zeit - ein direkter Nachfolger zu dem Borg-Zweiteiler direkt davor, also wurde dieser Handlungsstrang kurzerhand in eine eigene Episode ausgelagert. Man wollte außerdem gerne einmal wieder den Reisenden, bekannt aus der gleichnamigen Folge der ersten Staffel, auftreten lassen und hat damit das Ende etwas interessanter gestaltet: Fertig war die Folge.
Gates McFadden hat übrigens alle Stunts von Dr. Crusher selbst gemacht und sich dabei unter anderem an einen an der Wand festgeschraubten Stuhl gehangen, um zu simulieren, wie sie von dem Licht eingesaugt wird. Kurz danach stellte sie fest, dass sie schwanger ist. Hut ab.
Remember Me
Kommen wir jetzt aber endlich zum Titel der Sendung: Remember Me. Wie oben schon angeteasert, handelt es sich um die letzten Worte der Titelmelodie einer Serie, die maßgeblichen Einfluss auf The Next Generation hatte, und ich bin mir sicher, Ihr kennt die Serie auch. Noch keine Idee? Vielleicht hilft Euch der ganze Text des Intros:
Beyond
The rim of the star-light
My love
Is wand'ring in star-flight
I know
He'll find in star-clustered reaches Love,
Strange love a star woman teaches.
I know
His journey ends never
His star trek
Will go on forever.
But tell him
While he wanders his starry sea
Remember, remember me.
Es handelt sich bei der Serie um: Star Trek. Aber wie kann das sein, handelt es sich bei dem alten Intro nicht einfach um ein langgezogenes Wehklagen einer einsamen Frau?
Ja - und nein. Die Geschichte geht so: Noch bevor Star Trek je ausgestrahlt wurde, wurde ein erfahrener Komponist, Alexander Courage, beauftragt, die Titelmelodie zu schreiben, was er auch tat. Dabei ging er folgende Vereinbarung ein: Sollte jemals ein Text zu dieser Melodie geschrieben werden, würde Courage pro ausgestrahlter Episode 50% der Tantiemen bekommen, und der Autor des Textes die andere Hälfte. Ansonsten würde Courage die vollen 100% bekommen - auf dem ersten Blick eine faire Abmachung.
Gene Roddenberry, Urvater von Star Trek, schrieb nun den oben zitierten Text für das Lied, mit der vollen Absicht, dass es niemals zu hören sein würde. Er wollte einzig und allein dafür sorgen, dass er selbst 50% der Tantiemen für das Lied erhalten würde - und er war erfolgreich. So ein Stinktier. Die Produzenten von Star Trek versuchten übrigens, Courage als Musiker für die zweite Staffel zu gewinnen, aber dieser sagte - wenig verwunderlich - ab.
Die Zukunftsvisionen von Star Trek
Star Trek, und insbesondere The Next Generation, ist sehr beliebt unter anderem wegen der Art und Weise, wie das (Arbeits-)Umfeld der Zukunft dargestellt wird. Ein Rang oder eine Position in Star Trek sind weniger das Resultat von Hierarchie, persönlichem Verhandlungsgeschick oder gar politischer Intrige, sondern eher ein Ausdruck und das Resultat der eigenen persönlichen und professionellen Entwicklung, und Offiziere in Star Trek pflegen in der Regel einen äußerst respektvollen Umgang miteinander. Diese Episode bietet dafür mehrere Beispiele.
Zuhause nicht nachmachen!
Da wäre zum Einen Wesley Crushers Experiment. Wesley, der erst später in dieser Staffel überhaupt auf die Sternenflottenakademie gehen wird, darf im Flaggschiff der Föderation mit weitgehend freier Hand Experimente durchführen, und das sogar unter Aufsicht des Chefingenieurs. Eine derartige Nachwuchsförderung ist natürlich ein utopischer Traum. Reden wir aber besser nicht davon, dass er in der Episode eine direkte Anweisung, das Experiment abzubrechen, missachtet, dadurch fast seine eigene Mutter umbringt und anscheinend keinerlei Konsequenzen dafür tragen muss.
Empowering Leadership
Reden wir viel lieber davon, wie der Rest der Crew mit Dr. Crusher umgeht, und über Crusher selbst. Zur Einordnung: Diese Episode ist von 1990 - im gleichen Jahr ist auch Kevin - Allein zu Haus herausgekommen, ein Film, in dem das unsägliche Stilmittel “hysterische Frau” genüsslich ausgewalzt wird. In den 90ern glaubt man zu wissen: Frauen werden hysterisch, und ihnen wird grundsätzlich erst einmal nicht geglaubt (das Prinzip ist natürlich älter als die 90er - Kassandra, die mythologische Gestalt, deren Wahrsagungen niemand glaubte, kommt aus der Antike).
Gates McFadden spielt Beverly Crusher als zunehmend verzweifelte Frau, die aber trotzdem weitgehend die Ruhe bewahrt. Und der Rest der Crew? Glaubt ihr sofort und stellt ihre Wahrnehmung niemals in Frage. Zu Beginn der Episode, als es noch nur um Quaice geht, kommt es zu folgender Szene: Picard glaubt noch, Crusher hätte es übersehen, Quaice bei ihm - wie es Vorschrift ist - anzumelden. Er reagiert, indem er sie nach einem Meeting bittet, noch kurz zu bleiben. Er ist höflich, respektvoll und geht zunächst davon aus, Crusher habe es einfach vergessen - dabei macht er aber trotzdem deutlich, dass er erwartet, dass Vorschriften wie diese eingehalten werden.
Später dann lässt Picard das sogar die Mission unterbrechen und Schiff umkehren, ebenfalls nur aufgrund der Wahrnehmungen von Crusher. Diese wiederum sucht die Schiffspsychologin, Deanna Troi, auf, und es kommt zu diesem erinnerungswürdigen Austausch:
CRUSHER: “Deanna, ich habe Babies auf die Welt gebracht, die nicht mehr existieren! Niemand erinnert sich mehr an sie! Wenn ich meine Augen schließe, sehe ich ihre Gesichter vor mir, so wie ich Ihres jetzt sehe. Was, wenn es keine riesige Verschwörung ist? Was, wenn es allein an mir liegt?”
TROI: “Und wenn es nur an Ihnen liegt?”
CRUSHER: “Dann habe ich eine Mission verzögert und vielen Menschen einen Schrecken eingejagt, inklusive mir.”
TROI: “Und wenn schon! Sie haben lediglich im Interesse der Mannschaft und des Schiffes gehandelt! Was können Sie denn mehr von sich verlangen? Wenn sich alles als ein Missverständnis herausstellt, dann werden wir eben alle ein Wenig später auf Durenia IV ankommen. Das ist alles!"
So sieht Zusammenarbeit in der Zukunft aus: Man nimmt die Wahrnehmungen und die Gefühle der anderen ernst und ermutigt sich gegenseitig, auch mal Fehler zu machen.
Große Firmen könnten viel Geld für Leadershipseminare sparen, indem sie einfach diese Episode vor ihrer Führungsriege abspielen würden.
Mit diesem warmen, wohligen Gefühl im Bauch endet diese Ausgabe. Danke für's lesen! Was hat Dir gefallen, was nicht? Lass es mich wissen:
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Bis zum nächsten Mal in der Risa Bar!